Nachkriegszeit im Dorf
Der Zweite Weltkrieg ist ein Jahr vor meiner Geburt zu Ende gegangen. Mein Vater erlebte den ganzen Krieg als Soldat, desertierte kurz vor Kriegsende und entging so der Kriegsgefangenschaft. Dafür musste er sich bis Kriegsende zu Hause vor den Nazis verstecken, sonst wäre er wie viele andere als Deserteur hingerichtet worden. Mein Onkel mütterlicherseits ist im Krieg in Russland gefallen, war aber in Gesprächen, auf Gedenktafeln und Fotos noch immer präsent. Meine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft. Daher gab es keinen Hunger, gewisse Lebensmittel waren aber nur mit Bezugsscheinen (Marken) erhältlich. Am Waldrand stand ein ausgebrannter Panzer und hie und da fuhren russische Truppentransporter zum Truppenübungsplatz Döllersheim. Ansonsten war von der Besatzungsmacht nicht zu spüren, aber in Erzählungen und auf Gedenksteinen waren die Übergriffe unmittelbar nach Kriegsende noch immer präsent. In der Schule und im täglichen Leben waren die Zwischenkriegszeit und der Zweite Weltkrieg kein Thema. Man schaute in die Zukunft und hoffte auf ein besseres Leben.
Kindheit im Dorf
In meinem Heimatort Weizierl lebte ich mit Großeltern, Eltern und einer Schwester in 2 Schlafzimmern und einer kleinen Küche. Geheizt wurde mit dem Küchenherd, WC und Dusche gab es nicht und das Trinkwasser holten wir vom 500 Meter entfernten Dorfbrunnen. Das einzige Elektrogerät war ein Radio. Waschmaschine, Kühlschrank und Fernsehapparat kamen erst später dazu. Milch, Brot und Fleisch kam aus der eigenen kleinen Landwirtschaft (2 Kühe, 2 Ziegen, Schweine und Hühner). Den Rest kauften wir beim Greisler im Ort. Mache Lebensmittel wie Zucker gab es dort in den ersten Jahren nach dem Krieg nur gegen Lebensmittelmarken. Gekocht hat meine Mutter. Besondere Delikatessen waren das Zicklein zu Ostern und der Truthahn zu Weihnachten, beides natürlich aus der eigenen Tierhaltung. Zum Zahnarzt, Friseur und Schuster ging ich als Kind zu Fuß in das 5 km entfernte Weißenkirchen.
Mit dem Bus nach Krems in die Schule
Nach dem Besuch der zweistufigen Volksschule in Weinzierl ermöglichten mir meine Großeltern und Eltern unter Opfern den Besuch von Hauptschule und Handelsakademie als Eintritt in ein besseres Leben. Ich hatte Glück mit den wichtigsten Lehrern. Sie vermittelten mir nicht nur Schulbuchwissen, sondern regten auch meine Phantasie an. Sie weckten gemeinsam mit den Zeitschriften meiner Mutter und Abenteuerromanen das Interesse an fremden Ländern, an der Bergwelt und an Geschichte und Kultur. Aus Weinzierl fuhren wir zu dritt in die Hauptschule nach Krems. Der Bus ging um 5:00 in der Früh, der Unterricht begann am Anfang oft erst um 13:00 und der letzte Bus in einen 6 km entfernten Nachbarort fuhr um 17:30 zurück. Dort holte mich mein Vater mit dem Motorrad ab. Die Busverbindung nach Krems besserte sich zwar mit den Jahren, war aber auch in den 60ern noch immer mühsam und teuer. Für meine Familie bedeutete es eine enorme Anstrengung, mir den Besuch der Hauptschule und der Handelsakademie zu ermöglichen. Ohne diese Unterstützung wäre meine spätere Laufbahn nicht möglich gewesen.
Dorf imWandel
Bis in die 50-er Jahre war das Dorf eine in sich geschlossene Welt. Man arbeitete und schlief auf dem Hof, ging im Ort zur Schule und am Sonntag in die Kirche. Mit den ersten Motorrädern und der Nachfrage nach Arbeitskräften in der Nachkriegswirtschaft, wie beim Bau der Wachau-Bundesstraße. wurde Arbeit ausserhalb des Dorfes möglich Ein fortschrittlicher Bürgermeister modernisierte Weinzierl. Jedes Haus bekam einen Wasseranschluss, vorher musste das Vieh zur Tränke getrieben werden und das Trinkwasser vom Ortsbrunnen geholt werden. Das war für mich mit einem täglichen Fußmarsch von einem halben Kilometer verbunden. Die Ortstraße wurde geteert und eine Straßenbeleuchtung installiert. Ein großer Fortschritt war die Errichtung einer gemeinschaftlichen Tiefkühlanlage. So konnte Fleisch auch ohne Räuchern haltbar gemacht werden. In den Haushalten hielt das Radio und ab Ende der 50-er auch das Fernsehen Einzug. Damit war es mit der Meinungshoheit der Kirche vorbei. Zunehmend besuchten die Schüler nach der Volksschule die Hauptschule oder das Gymnasium in Krems. Das war möglich, weil die Verkehrverbindungen laufend verbessert wurden. In der Landwirtschaft lösten Traktoren zunehmend die Ochsen- und Pferdegespanne ab und gummibereifte Ladewägen die alten eisenbereiften Leiterwägen.
Das Fernsehen kommt ins Dorf
Radiohören war im Dorf ein Minderheitenprogramm und beschränkte sich meist auf den Wetterbericht. Mitte der 50er gab es dann in den beiden Gasthäusern die ersten Fernsehapparate – bei Übertragungen aus der Löwingerbühne war dort das ganze Dorf versammelt. Meine erste Berührung mit dem neuen Medium hatte ich 1958 bei der Ski-WM in Badgastein (mit Toni Sailer & Co.) und der Fußball-WM 1958 in Schweden (mit Happel, Hanappi & Co.). Es gab nur ein Programm mit einer beschränkten Sendezeit und noch keine flächendeckende Versorgung. So war in der Wachau auch Ende der 50er noch kein TV-Empfang möglich. Sportinteressierte aus Weißenkirchen pilgerten 5 km nach Weinzierl zu den Fernsehübertragungen. Gesehen habe ich Sportüberragungen, Kinderserien wie „Lassie“, die ersten Fernsehspiele von Erich Neuberg („Geschichten aus dem Wienerwald“ mit Moser, Matz und Qualtinger und „der Herr Karl“ mit Qualtinger) und Michael Kehlmann („Radetzkymarsch“ mit Helmut Lohner). Krimiserien wie „Das Haltuch“ von Francis Durbridge waren Straßenfeger.
Der Sport kommt ins Dorf
Herbert, ein Cousin aus Wien, übernahm den Hof meiner Großeltern väterlicherseits. Er war ein guter Fußballspieler und lernte uns Jugendlichen das Ballestern. Er kaufte die Sport-Montagszeitung. Dort verschlang ich die Sportnachrichten und bekam so den 3. Platz der österreichischen Nationalmannschaft bei der WM in Bern und die Erfolge von Toni Sailer bei der Winterolympiade in Cortina mit. Ein Quantensprung war das neue Medium Fernsehen. Beide Gasthäuser waren bei Sportübertragungen voll – auch aus der Wachau kamen die Leute, weil es dort anfangs keinen TV-Empfang gab. Mit dem neuen Medium Fernsehen war die große Welt auch im kleinen Dorf angekommen.
Freizeit am Land

Weinzierler Dorfjugend
Am Land gab es in jedem Dorf jährlich einen Kirtag mit Marktständen und Tanzmusik am Abend und alle 2 Jahre das Wachauer Volksfest. Den ersten Zirkus erlebte ich in Krems und als erstes Theaterstück sah ich den „Räuberhauptmann Grasl“ beim Gastspiel einer Wanderbühne im Dorfgasthaus. Mit meiner Mutter und mit der in Wien lebenden Tante war ich bei der Wiener Eisrevue in der Stadthalle. Die ersten Filmerlebnisse hatte ich im 5 km Fußmarsch entfernten Weißenkirchen. Man spielte Heimatschnulzen und Kriegsfilme wie „Verdammt in alle Ewigkeit“ mit Frank Sinatra. Mit 16 kaufte mit mein Großvater ein Moped. Damit war ich in der Gegend unterwegs und erlebte im Kremser Kino James Dean und einige Westernklassiker wie die „Die glorreichen Sieben“.
Berufswunsch Programmierer
Nach der Handelsakademie-Matura, einer kurzen Praxis im Raiffeisen-Lagerhaus Krems und dem Bundesheer musste ich mich für einen Beruf entscheiden.
Die viele Freizeit beim Bundesheer im winterlichen Waldviertel schlug ich mir mit Zeitunglesen um die Ohren. Die Computer-Ära war im Kommen und in jeder Tageszeitung gabe es Programmierer-Eignungstests. Dabei schnitt ich immer exzellent ab. Das Schlüsselerlebnis war dann die Nationalratswahl Anfang März 1966. Die Stimmenauszählung wurde erstmals aus dem ORF-Rechenzentrum übertragen. Ich war fasziniert und für mich stand fest: „ich werde Programmierer“. Das hatte auch den großen Vorteil, dass keine weitere Ausbildung notwendig war – eine solche gab es schlichtwegs nicht. Firmen suchten mit Zeitungsannoncen nach geeignetem Personal und ließen sie bei ihren Computerlieferanten ausbilden. Ich klapperte verschiedenen Firmen ab und machte Eignungstests.
Übersiedlung nach St. Pölten
Nach mehreren missglückten Bewerbungen heuerte ich dann aber zur Freude meiner Eltern in der Sparkasse St. Pölten an, gab aber meinen Berufswunsch nicht gänzlich auf. Ich übersiedelte 1966 in das Kolpingheim St. Pölten und fand dort und in der Sparkasse sofort Anschluss. Das Betriebsklima in der Sparkasse war gut, die Arbeit in den 2-Mann-Filialen im ländlichen Pielachtal und im industrialisierten Traisental machte mir Spaß und ich bekam Diäten für das tägliche Pendeln, so verdiente ich netto ca. 3.000 Schilling (ca. 215 €). In den Gasthäusern. kostete damals ein gutes 3-gängiges Menü mit einem Seidel Bier 15 Schilling (knapp über 1 €), von den Diäten blieb mir so etwas über, ohne sie hätte es traurig ausgesehen. Die ersten Gehälter erhielt ich noch im Lohnsackerl. Das erste Gehaltskonto legte ich dann bei der Sparkasse an, auch für Bankangestellte damals keine Selbstverständlichkeit.
Ausflüge nach Wien und Kitzbühel

Mit Franz Starkl beim Hahnenkammrennen 1967 in Kitzbühel
Hochkultur erlebte erstmals mit der Hauptschule im Burgtheater – Josef Meinrad, Inge Konradi & Co im „Jux“ – ein Erlebnis, an das ich mich noch heute gerne erinnere. Absoluter Höhepunkt einer Wienwoche war die „Westside Story“ im Wiener Forum Kino. Im Thater an der Wien hielt in den 60ern das Musical Einzug. „Der Mann von La Mancha“ mit Josef Meinrad und Fritz Muliar ist mir noch heute in Erinnerung. Die erste größere Reise war 1967 eine Fahrt zum ersten Weltcup-Hahnenkammrennen in Kitzbühel.
Erste Auslandsreisen
Meine erste Auslandsreise führte mich 1967 mit Freunden in einem geliehenen VW-Käfer nach Prag.

Hradschin Prag
Die tschechische Hauptstadt war vor dem Prager Frühling durchaus mit Wien zu vergleichen. Mit unseren illegal eingeführten Tschechenkronen waren wir Kaiser. Wir dinierten im ersten Haus am Platz (kostete weniger als zu Hause ein Schnitzel), übernachteten privat und lernten mit unseren Quartiergeberinnen das Prager Nachtleben kennen. Mit diesen Erfahrungen führte mich dann die nächste Auslandsreise nach Budapest und im Herbst 1969 mit Kollegen von der Sparkasse nach München zum Oktoberfest und zu einem Bundesligaspiel von Bayern München mit Beckenbauer, Starek & Co.
Chronik 1946 bis 1969
- Wurzeln in Weinzierl am Walde – geboren am 21. Juni 1946, Familie, Nachkriegszeit in Weinzierl, Chronik 1945 bis 1949
- meine 50er – Volksschule in Weinzierl am Walde, Hauptschule in Krems an der Donau.
- meine 60er – Matura Handelsakademie Krems/Donau, Bundesheer, Berufswunsch Programmierer, Übersiedlung nach St. Pölten, meine Zeit in der Sparkasse St. Pölten, erste Auslandsreisen.
Leben in der Nachkriegszeit
- Leben von 1945 bis 1969 – von der Mangelernährung zu vollen Regalen und Gasthäusern, Substandard-Wohnungen am Land und in der Stadt,
Löhne, Gehälter und Pensionen wurden bar ausbezahlt, vom Radiohören zum Farbfernsehen, telefoniert wurde am Postamt, Gesundheitsvorsorge war ein Fremdwort, Bildung war ein Privileg, von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft, von der Sommerfrische zum Urlaub am Meer, Kultur hat immer Saison, erstes große Veranststaltungszentrum, Kinoboom und Kinosterben - Hits von 1945 bis 1969
Musik der 40er, 50er und 60er
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Zeitreise
- 1945 bis heute – Chronik Welt, Europa und Österreich; so hat sich das Leben in Österreich seit Kriegsende verändert; Biograhie des Autors von 1946 bis heute